Ausgerechnet in Kalifornien habe ich japanische Perfektion erlebt. Kaiseki bezeichnet eine Vielzahl kleiner, leichter Gänge und die Kunst, so lokal und saisonal wie möglich zu arbeiten. In Healdsburg, einem Ort mit gerade mal 11 000 Einwohnern, wurde dessen europäische Entsprechung Farm to Table praktisch erfunden. Dort befindet sich das SingleThread Farm – Restaurant – Inn, eines der besten Restaurants Nordamerikas. Es vereint das Beste aus beiden Welten: dem kulinarischen Paradies schlechthin und dem in nachhaltige Landwirtschaft vernarrten Sonoma County.
Die Betreiber Kyle und Katina Connaughton orientieren sich an 72 Mikrosaisons. Allein nach dem ersten, schlicht „Late Winter in Sonoma“ betitelten Gang gibt es so viel zu erzählen wie nach einer Japanreise. Eines meiner persönlichen Highlights waren die anschließend servierten, in Olivenöl marinierten Austern, obwohl ich Austern sonst wenig abgewinnen kann. Es folgte eine perfekt durchdachte, Hilfsausdruck, elfgängige Komposition von Fisch- und Meeresfrüchteminiaturen, Tofu- und Gemüsegängen und dreierlei Desserts, mehr als nur japanisch inspiriert, aber durch und durch radikal regional mit Zutaten von der hauseigenen Farm.
Ich hatte das große Glück, in einer der schlicht Gästezimmer genannten Suiten übernachten zu können. Das japanische Frühstück am nächsten Morgen war ähnlich überwältigend wie das Essen am Abend zuvor, mit Schüsseln voller Reis, eingelegtem Gemüse, Seidentofu mit fassgereiftem Ponzu, Miso Suppe, den vergorenen Sojabohnen Natto, einem im Mund schmelzenden Lachs und, als Sonderwunsch für den „Sweet Tooth“, einem Rhabarber-Tonkabohnen-Scone. All das aufgetragen und geduldig mehrfach erklärt von einem Service, der japanischen Standards mehr als gerecht wurde.