Wie viele Fotos vom Essen anderer Leute kann man schlucken, ohne zu platzen? Kommt ganz darauf an, wer diese Leute sind. Bei Stephen Shore kann ich gar nicht genug bekommen. Der 68-Jährige gehört zu den einflussreichsten Fotografen der Gegenwart, das C/O Berlin widmet ihm gerade eine umfassende Retrospektive. Beim Betrachten der analogen Aufnahmen von schäbigen Motelzimmern, akkuraten Rasenflächen und dem ewig blauen Himmel Kaliforniens will man sofort einen Cadillac mieten und wie Stephen Shore einmal quer durch die USA fahren. Und zwar nicht wegen, sondern trotz seiner Fotos von Schlabberpancakes, Discountersteaks und traurig verschrumpelten Würstchen.
Vierzig Jahre später bespielt Shore natürlich einen Instagramkanal.
Eine zeitgenössische Form von institutioneller Food-Fotografie zeigte die Gruppenausstellung Gute Aussichten – Junge deutsche Fotografie in den Hamburger Deichtorhallen. Für ihre Abschlussarbeit an der Kölner Kunsthochschule für Medien fotografierte Kyung-Nyu Hyun ein Jahr lang jede Mahlzeit. Analog statt Instagram und demzufolge ohne Farbfilter, was im Ergebnis weniger appetitlich, aber dafür realer aussieht. Das originellste dieser Arbeit ist ihr Titel Pics Or It Didn’t Happen, der mit unserer Marotte spielt, alles Erlebte festhalten zu müssen. Abgesehen davon ist diese Mischung aus Dokumentarfotografie und Food Porn-Zeitdiagnose als künstlerischer Zugriff ein bisschen fad. Bilder von verzehrfertigen Tellern mögen in den Siebzigern revolutionär gewesen sein – mittlerweile haben wir uns daran überfressen.