Auszug aus dem Wiener Reisetagebüchlein, das natürlich ein Moleskine ist:
– Bei Veganista im siebten Bezirk behauptet das Eis, ein „ehrliches“ zu sein. Konkret bedeutet das Tonkabohne, Mohn und Hafer-Zimt auf veganer Basis. Besonders gelungen ist der Name für das, was in Berlin Zwei Dicke Bären machen, ein Cookie-Eis-Sandwich. Hier heißt es Inbetwiener. Zufälligerweise kenne ich den schlauen Fuchs, der sich das ausgedacht hat. Leider möchte er unerkannt bleiben.
– Im Schwarzen Kamel werden Damen mit Handkuss und „gnädige Frau“ begrüßt. Wer ans Berliner Schnöseltum gewöhnt und noch dazu im Grunde seines Herzens Spießer ist, kommt hier auf seine Kosten und zudem in den Genuss feinster Schwarzbrotschnittchen.
– Liebe Berliner Eisdielen, nehmt Euch ein Beispiel am Eis Greissler. Ende Oktober hat dieser noch bis 23 Uhr geöffnet, bei Euch sind da schon die Bordsteine rauf- und die graffitibesprayten Rollläden runtergeklappt. Seine Kreation Erdnuss-Schoko ist verdächtig nah an der Konsistenz von Erdnussbutter. Ich meine das als Kompliment.
– Nachdem der Berg zum Propheten kam, schauen wir uns das Neni am Naschmarkt an. Seit Anfang des Jahres logiert dessen Berliner Filiale im Bikini, seine Heimat ist aber Wiens sechster Bezirk. Architektonisch könnte der Unterschied zum Berliner Dschungel mit Ausblick nicht größer sein. Das Obergeschoss des Wiener Haupthauses erinnert der Form nach an einen umgedrehten Schiffsbug, das kleinere Haus bietet an zwei großen Tafeln Platz für weitere Gäste. Leider führen sie nicht den Puro Malbec Mendozas vom Weingut Dieter Meier und auch sonst setzt die Karte andere Schwerpunkte, etwa auf das Frühstück. Ich esse und liebe Sabich, ein „Mischmasch aus gebackenen Melanzani, Humus, Tomaten-Koriander-Salat, Har Bracha Tahina, Ei, Amba und Falafel.“ Noch mehr liebe ich die Dessertvariationen und hier ganz besonders das Warme Schokoladenküchlein – so oft gegessen, so oft nur ein müdes Lächeln entlockt (weil da war es wirklich nur das, ein warmer Schokokuchen), hier ein Grinsekatzengrinsen (Flüssige. Heiße. Schokolade.).
– In der Loos Bar rumgelungert, Negroni getrunken. Die Seite wirbt mit dem Satz „Manche sagen, in Wien gibt es nicht eine Bar – es gibt nur eine einzige Bar“, das halte ich für übertrieben. Fraglos ist sie schön, eine zu recht oft zitierte architektonische Perle. Der Negroni kommt allerdings mit Orangenscheibchendeko.
– Auch irgendwie enttäuschend waren die Buchteln im Café Hawelka. Ein Mehlspeisenklassiker, hier angeblich zur Perfektion gebracht. Wiener bestellen sie ohne Vanillesauce, mir sind sie trotz Vanillesaucensee viel zu trocken. Liegt vielleicht daran, dass ich Schwäbin bin.
Leider hat der Tag auch in Wien nur vierundzwanzig Stunden, von denen wenigstens ein paar mit Schlafen verbracht werden müssen. Acht Gründe, warum ich bald wiederkommen muss:
– Die Mamsell, ein Gasthaus in Puppenstubengröße. Jeweils zwei Tagesgerichte, zum Beispiel Rote Rübenrisotto, dazu Suppe und Schokokuchen zu Preisen, die ebenfalls mini sind. Liab, heißt das auf Österreichisch.
– Heurigenbuffet Zum Gschupftn Ferdl. Das Update eines Stadtheurigen. Zur Erinnerung: Heurige sind Lokale mit angeschlossenem Weinanbau. Geburtsstätte des unsäglichen G’Spritzen. Abgesehen davon ein herrlicher Ort, um der österreichischen Seele nachzuspüren und mit gesellschaftlicher Rückendeckung ordentlich zu bechern. Leider sind die Heurigen bis auf wenige Ausnahmen so weit vom Zentrum entfernt, wie das Schnellrestaurant vom echten Wiener Wald. Das Geschupfte Ferkel tobt mitten im sechsten Bezirk, auf hohem Niveau habe ich mir sagen lassen. Für wärmere Tage stehen Biertische im lauschigen Innenhof bereit, nach dem dritten Achtel ist das fast wie im Wiener Wald.
– Kuishimbo. Der angeblich beste Japaner Wiens. Empfohlen von einem, der es wissen muss.
– Die Weinschenke (sapperlott, keine Internetpräsenz!). Nicht, dass wir keine gscheiden Burger hätten in Berlin. Die in der Weinschenke brauchen den Vergleich nicht zu scheuen. Selbst mein vegan lebender Wiener Bub ist begeistert.
– Erna B. Backt einen veganen Schokokuchen, dem der Ruf vorauseilt, auch Nicht-Veganern zu munden. Einen Pluspunkt gibt’s schon mal für Herzlichkeit: Nach Ladenschluss verschenkt Erna B. oder diejenige, die wir für sie halten, Übriggebliebenes.
– Nicht, dass wir in Berlin keine g’scheiden Orte zum Saufen hätten. Bei Four Square wird das Liebling wie folgt beschrieben: „Wer Hipster in freier Wildbahn begutachten möchte, kann das hier tun.“ Wir packen unsere Nike-Airs ins Köfferchen und kommen wieder.
– Das Neni-Imperium reicht vom Naschmarkt bis an die Donau. Am Tel Aviv Beach lässt es sich von Frühling bis Herbst aushalten, habe ich mir sagen lassen.
– Den besten Negroni habe ich nicht in der Loos Bar getrunken (siehe oben), sondern im On Market. Eigentlich servieren sie hier asiatische Fusionsküche, ein Wort, das kalte Fusionsschauer über den Rücken jagt. Unser Happen Sushi vom kroatischen Wolfsbarsch war allerdings so lecker, dass beim nächsten Wienbesuch dringend fusioniert werden muss.